Grenzen
Naturwissenschaft bringt keine Wahrheit hervor.
Naturwissenschaften messen, was messbar ist. Diese quantitativen Messergebnisse sowie die Bewertung struktureller und berechenbarer Bereiche können zu Hypothesen, Theorien, Modellen und Naturgesetzen beitragen. Damit wird erfasst, was analysierbar, quantifizierbar, reproduzierbar, eindeutig, widerspruchsfrei und kausal begründbar ist.1
Das ist der „Denkrahmen“ der Naturwissenschaft.
Die exakten und reproduzierbaren Beweise haben aber auch Grenzen. Vereinfacht gesagt ist alles, was nicht messbar und nicht berechenbar ist, für die Naturwissenschaft kein Thema. Viele Bereiche, die für Leben, Gesundheit und Wohlbefinden wichtig sind, wie z.B. funktionelle Prozesse und ganzheitliche Zustände, subjektive Gefühle und Empfindungen sowie der weite Bereich der seelischen, psychischen und geistigen Phänomene werden von der Naturwissenschaft nicht erfasst.
Die Naturwissenschaft beschäftigt sich nicht mit einzelnen Menschen. Individuelle Erfahrungen und Beobachtungen, vegetative Reaktionsmuster und Befindlichkeiten sowie spontane Ereignisse werden nicht berücksichtigt.
Es zählt nur, was in der Forschungsgemeinde anerkannt und reproduzierbar ist. Dabei geben Methoden, Theorien und Modellen vor, was beobachtet werden kann. Die Theorien können stimmen oder auch nicht. Mathematische Beweise und logische Modelle zeigen nur, dass die Berechnungen und theoretischen Vorstellungen fehlerfrei sind. Aber nicht, ob das Modell der Wirklichkeit entspricht. Manche Modelle existieren nur in der Theorie oder unter experimentellen Bedingungen.
wahrheit
Wahrheit ist mehr.
Wahrheit ist ein philosophischer Begriff, der ein großes Ganzes meint und nicht gemessen werden kann. Man kann sich Wahrheiten nur nähern. Durch Weisheit und sorgfältige Methodik. Naturwissenschaft kann Teile erschließen, aber nicht das Ganze. Naturwissenschaftliche Methoden sind für komplexe und ganzheitliche Zustände nicht geeignet.
Es ist ein Missverständnis zu glauben, dass naturwissenschaftliches Wissen „Wahrheit“ ist. Das stimmt nicht. Die Naturwissenschaft stellt Hypothesen auf. Das sind logische Aussagen, die durch Experimente bestätigt oder widerlegt werden können. Da Experimente immer an Bedingungen geknüpft sind, geben die Ergebnisse keine Auskunft darüber, ob sie auch unter realen Umständen gültig sind.
Natur
Naturwissenschaft beschäftigt sich mit der Natur.
Allerdings nur mit messbaren, strukturellen und berechenbaren Bereichen.
Naturwissenschaft kann nichts über Fachgebiete sagen, die sich nicht messen und berechnen lassen.
Der lateinische Kirchenlehrer und Philosoph Augustinus (354-430) war sich der Beschränktheit des Wissens bewusst:2
„Es ist nicht widernatürlich, wenn an einer Sache, deren Natur bekannt ist, etwas von den bekannten Eigenschaften verschiedenes neu auftritt“.
„Ein Wunder geschieht nicht wieder die Natur, sondern wider die bekannte Natur.“
Das gilt auch heute.
Der Londoner Medizinstatistiker Douglas G. Altman schrieb im renommierten British Medical Journal:3
“Absence of evidence is not evidence of absence.”
Fehlen eines Nachweises ist kein Nachweis des Nichtvorhandenseins.
Das bedeutet: Ein fehlender oder misslungener Nachweis ist kein Beweis, dass etwas nicht vorhanden ist! Das sagt auch die Logik: Wenn ein Experiment nichts findet, kann man daraus keine weitreichenden Schlüsse ziehen. Außer, dass unter den gegebenen Bedingungen nichts gefunden wurde. Das bedeutet nicht, dass das Gesuchte nicht existiert, wenn die Studienbedingungen nicht optimal zum Gegenstand der Untersuchung passen.
Naturgesetze
Naturgesetze gelten.
Allerdings nur innerhalb ihrer Bereiche.
Es gibt es viele Bereiche außerhalb der Naturgesetze.
Medizin
Es ist unmöglich, den Menschen nur mit Naturgesetzen zu erklären. Arzneimittelwirkungen kann man nicht rein naturwissenschaftlich bestimmen. Das geht nicht. Wirkungen und vor allem Nebenwirkungen treten auch in nichtmessbaren Bereichen und individuell auf. Da kann man nichts „reproduzieren“, obwohl diese Wirkungen real vorhanden sind. Dafür wurden medizinische Methoden entwickelt, die nichts mit Naturgesetzen zu tun haben.
Homöopathie
Die Homöopathie ist Medizin, Komplementärmedizin und Ganzheitsmedizin.
Deshalb liegt die Homöopathie außerhalb des Erkenntnisbereiches der Naturgesetze.
Der österreichische Physiker Christian Kurz fasste zusammen:4
„Homöopathie widerspricht keinem einzigen bekannten Naturgesetz.“
„Wir kennen auch kein Naturgesetz, dem die Homöopathie gehorchen würde“.
Die Homöopathie liegt nur in bestimmten experimentellen Bereichen im Erkenntnisbereich der Naturwissenschaften. Das gesamte Lehrgebäude der Homöopathie und viele medizinische Gesetzmäßigkeiten liegen außerhalb der Naturwissenschaft.
Deshalb kann die Naturwissenschaft die Homöopathie nicht erklären.
Grenzen der Erkenntnis
Die Erkenntnis der Naturwissenschaft ist begrenzt.
Dadurch, dass der Mensch selbst ein Teil der Natur ist, die er erkennen möchte, sind der Naturerkenntnis prinzipielle Grenzen gesetzt, wie der Professor für Anorganische Chemie der Technischen Universität Wien Viktor Gutmann erklärte:5
„Der erkennende Mensch ist selbst Teil der Natur, also Teil des zu Erkennenden. Daher sind der Naturerkenntnis natürliche Grenzen gesetzt. Sie sind schon dadurch gegeben, dass nicht alle Wirklichkeitsbereiche mit Hilfe der Sinnesorgane erfasst werden können, dass dem Denken und Reflektieren und damit der Fassung von Begriffen Grenzen gesetzt sind ... Die von der Natur vorgegebenen Grenzen der Erkenntnis können nicht überschritten werden.“
Diese Grenzen gelten auch für die Naturwissenschaft. Herbert Pietschmann bezeichnete diese generelle Beschränkung als „methodologische Grenze der physikalischen Erkenntnis“6. Alles außerhalb dieser Grenzen wird von der Naturwissenschaft nicht erkannt.
Konstruktivismus
Aufgrund erkenntnistheoretischer Schwächen und Grenzen finden naturwissenschaftliche Methoden nicht fertige „Wahrheiten“ oder „die Wirklichkeit“, sondern bestätigen theoretische Modelle, deren reale Existenz vielfach unbewiesen ist.
Deshalb ist das naturwissenschaftliche „Weltbild“ kein Abbild der Wirklichkeit, sondern ein theoretisches Konstrukt von Theorien über die Welt aufgrund von Modellen und Vorstellungen, die sich immer wieder ändern.
Als „Konstruktivismus“ hat die Naturwissenschaft nicht die Absicht, die Wirklichkeit zu erklären:5
„Sie [die Naturwissenschaft] sucht nicht danach, die Welt so abzubilden, wie sie ist, sondern sie nach von Menschen hereingebrachten Motiven zu ‚entwerfen’. Die Fragen nach Wahrheit und nach den seienden Dingen sind damit für die moderne Naturwissenschaft gegenstandslos geworden.“
Das gilt für alle modernen Wissenschaften, die nur theoretische Modelle einzelner Teilbereiche entwerfen, ohne das Ganze zu verstehen.
Grundfragen
Aufgrund der beschränkten Erkenntnis der Naturwissenschaften bleiben grundlege Fragen unbeantwortet.
Die Physik kann die Schwerkraft berechnen, aber nicht zur Gänze erklären. Die Physik weiß nicht, was die Zeit ist:7
„Die Physik weiß nicht, was Zeit ist. Die Physiker können die Zeit nur messen und mit ihr rechnen.“
Der deutsche Physiker und Naturphilosoph Carl Friedrich von Weizsäcker stellte fest, dass Physik, Biologie und Psychologie gar nicht in der Lage sind, die Grundfragen des Lebens zu erfassen:
„Es ist charakteristisch für die Physik, so wie sie neuzeitlich betrieben wird, dass sie nicht wirklich fragt, was Materie ist, für die Biologie, dass sie nicht wirklich fragt, was Leben ist und für die Psychologie, dass sie nicht wirklich fragt, was Seele ist, sondern, dass mit diesen Worten nur vage ein Bereich umschrieben wird, in dem man zu forschen beabsichtigt. Dieses Faktum ist methodisch grundlegend für den Erfolg der Wissenschaft ... Auf der anderen Seite darf man sich nicht darüber täuschen, dass das methodische Verfahren der Wissenschaft, das ich soeben charakterisiert habe, wenn es sich über seine eigene Fragwürdigkeit nicht mehr klar ist, etwas Mörderisches an sich hat.“8
Auch die Fragen nach Gott und Ewigkeit und viele Fragen, welche für jeden einzelnen Menschen wichtig sind, können naturwissenschaftlich nicht beantwortet werden. Der emeritierte Professor für Mathematik der Universität Oxford John Lennox zitierte in seinem Nachwort „Jenseits der Wissenschaft, aber nicht jenseits der Vernunft“ Erwin Schrödinger über die Grenzen der Naturwissenschaft:9
„... dann bin ich sehr erstaunt, dass mein Bild der realen Außenwelt sehr mangelhaft ist. Es liefert eine Menge faktischer Information, bringt all unsere Erfahrung in eine wundervoll systematische Ordnung, aber es hüllt sich in tödliches Schweigen über alles und jedes, was unserm Herzen wirklich nahesteht, was uns wirklich etwas bedeutet. Es sagt uns kein Wort über rot und blau, bitter und süß, körperlichen Schmerz oder körperliche Lust; es weiß nichts von schön und hässlich, gut oder schlecht, nichts von Gott und Ewigkeit. Die Naturwissenschaft gibt gelegentlich vor, auf Fragen aus diesen Bereichen zu antworten, aber die Antworten sind oft so albern, dass wir sie nicht ernst nehmen mögen.“
Menschenbild
Die Naturwissenschaft hat kein definiertes Menschenbild.
- Die naturwissenschaftlichen Vorstellungen vom Menschen sind reduktionistisch, mechanistisch und konstruktivistisch.
- Es werden theoretische Modelle der Physik, Chemie, Biologie, Molekularbiologie und Genetik mit Modellen der Anthropologie, Evolutionstheorie, Psychologie, Soziologie und Philosophie beliebig kombiniert.
- Diese theoretischen Vorstellungen ändern sich immer wieder. Sie passen sich den zeitgeistigen Strömungen der Wissenschaft an und weisen erkenntnistheoretische Mängel und Grenzen auf.
Die Naturwissenschaften sind nicht in der Lage, den Menschen, Gesundheit und Krankheit sowie den Sinn des Lebens ausreichend zu erklären.
Fazit
Die Grenzen der Naturwissenschaft ergeben sich durch die Beschränkung auf messbare, strukturelle, berechenbare und reproduzierbare Bereiche.
Diese methodischen Grenzen verhindern die Untersuchung vieler Bereiche, die nicht messbar oder reproduzierbar sind. Wesentliche Grundfragen des Menschen kann die Naturwissenschaft nicht beantworten:
- Physik: Materie, Energie, Raum, Zeit
- Biologie: Leben, Schöpfung oder Evolution?
- Mensch: Herkunft des Menschen, Erfahrung und Beobachtung, Wahrnehmung spontaner Ereignisse
- Medizin: Subjektive Gefühle und Empfindungen, individuelle Zustände, vegetative Reaktionsmuster, ganzheitliches Zusammenspiel von Körper und Psyche, Gesundheit, Selbstheilung
- Psychologie: Psyche, Seele, Geist
- Philosophie: Weisheit, Erkenntnis, Wahrheit, Wirklichkeit
- Religion: Gott, Spiritualität, Ewigkeit, Sinn des Lebens
In den Naturwissenschaften zählt nur, was in der Forschungsgemeinde anerkannt und reproduzierbar ist. Methoden, Theorien und Modellen geben vor, was beobachtet und erklärt werden kann. Bereiche außerhalb dieses Denkrahmens bleiben unberücksichtigt. Die wissenschaftlichen Theorien können daher stimmen oder auch nicht. Mathematische Beweise und logische Modelle zeigen nur, dass die Berechnungen und theoretischen Vorstellungen fehlerfrei sind. Aber nicht, ob das Modell der Wirklichkeit entspricht. Manche Modelle existieren nur in der Theorie oder unter experimentellen Bedingungen.
Literatur
- Pietschmann 2009
- Augustinus (undatiert)
- Altman 1995
- Kurz 2001
- Gutmann, Resch 1988
- Pietschmann 1980
- Pietschmann 1998
- Weizsäcker 1964
- Schrödinger 1965
PDF mit Literaturangaben |
Startversion: 31.7.2017
Autor: Friedrich Dellmour