Australischer Bericht
Die Australische Gesundheitsbehörde National Health and Medical Research Council (NHMRC) hat seit 2010 mehrere Untersuchungsberichte über Homöopathie erstellt.
Im März 2015 wurde das Gesamtergebnis über die Medien veröffentlicht:1
„Es gibt keine zuverlässige Evidenz aus der Humanforschung, dass die Homöopathie bei der Behandlung des geprüften Spektrums von Gesundheitszuständen wirksam ist.“
Diese Behauptung ist unrichtig.
Pressemitteilung des Homeopathy Research Institute (HRI) am 5. April 2017:2
„Weltweit renommierter staatlicher Forschungsrat täuscht Wissenschaftler
und die Öffentlichkeit über Homöopathie“
Dr. Alex Tournier, Leitender Direktor des Homeopathy Research Institute erklärte in der Pressmittelung:2
„Die Unrichtigkeiten im Bericht des Nationalen Rats für Gesundheit und medizinische Forschung (NHMRC) sind so extrem, dass wir beschlossen, zusammen mit der Australian Homeopathic Association (AHA) eine eingehende Untersuchung durchzuführen um herauszufinden, was genau vorgegangen ist.”
Die Ergebnisse der Untersuchung wiesen dem Australischen Forschungsrat ein mehrfaches wissenschaftliches Fehlverhalten nach, das zu einer Täuschung der Öffentlichkeit geführt hat.
Die Hintergründe dieses Wissenschaftsskandals wurden am 6. April 2017 in London in dem Film „Just one drop“ der Öffentlichkeit präsentiert:3
Just one drop:
The Story Behind The Homeopathy Controversy.
https://www.justonedropfilm.com
Beschwerde beim Commonwealth Ombudsmann
Im August 2016 wurde von den drei Fachgesellschaften Complementary Medicines Australia (CMA), Australian Homoeopathic Association (AHA) und Australian Traditional Medicine Society (ATMS) formelle Beschwerde beim Commonwealth Ombudsman eingebracht.4
Kritikpunkte
Die Pressemitteilung fasste zusammen:2
- Der NHMRC hat den Review zweimal durchgeführt. Die Öffentlichkeit ist über den ersten Bericht nie informiert worden.
- Der NHMRC sagte, der Bericht basiere auf 1.800 Studien. Es wurden aber nur 176 Studien ausgewertet, von denen 171 Studien ausgeschlossen wurden.
- Der NHMRC hat nur englischsprachige Studien mit mindestens 150 Teilnehmern und ungewöhnlich hohe Qualitätsanforderungen berücksichtigt.
- Der NHMRC hat völlig willkürliche Bewertungskriterien verwendet, die weder vorher noch nachher von irgendwelchen Forschungsgruppen verwendet wurden.
- Entgegen den Richtlinien des NHMRC war nicht ein einziger Homöopathie-Experte Mitglied des Ausschusses.
- Der Vorsitzende des NHMRC-Ausschusses ist Mitglied der Anti-Homöopathie-Lobbygruppe „Freunde der Wissenschaft in der Medizin“.
Die Geschäftsführerin des HRI Rachel Roberts fasste zusammen:2
„Der Review des NHMRC ist wissenschaftlich schlecht. Entscheidungsträger und Wissenschaftler sind auf solche Gutachten angewiesen und müssen sich auf ihre Richtigkeit verlassen können. Es geht hier nicht um jemandes persönliche Meinung dazu, ob Homöopathie wirkt oder nicht. Es geht darum, dass Evidenz objektiv bewertet wird, egal, wie die Aussage lautet. Und das hat der NHMRC nicht getan.“
Kommentare
Ausschluss fast aller Studien
Die Berichte sind verwirrend.
Der erste Review 2010 wurde nie veröffentlicht. Die zweite Review-Serie wurde 2013-2015 durch die externen Arbeitsgruppen OptumTM und ARCH in mehreren Teilberichten publiziert, die mit dem im März 2015 vorgelegten Abschlussbericht1 über 700 Seiten umfassen:5
Die in den Reviews erfassten Studien wurden durch willkürliche Beurteilungskriterien größtenteils ausgeschlossen. Dadurch wurde rückwirkend auch der überwiegende Großteil der Reviews wieder ausgeschlossen. Im Optum-Bericht und Abschlussbericht wurden 343 Artikel genannt, von denen 91% ausgeschlossen wurden, weil sie nicht den Einschlusskriterien entsprachen (234) oder in einer früheren Recherche bereits enthalten waren (79).
- Die Liste ausgeschlossener Übersichtsarbeiten ist 37 Seiten lang und umfasst 335 Studien.
- Auch bekannte Arbeiten wie Kleijnen et al. 1991, Shang et al. 2005 und Smallwood 2005 wurden ausgeschlossen.
- Die Liste eingeschlossener Studien umfasst 1 Seite mit 9 Studien.
- Die beim Commonwealth Ombudsmann eingereichte Beschwerde deckte auf, dass die Bewertung der Australischen Behörde nur auf 5 Studien beruht.
Keine klinischen Studien
Nach den Regeln der evidenzbasierten Medizin (EBM) werden Metaanalysen oder Systematische Reviews aus randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) erstellt oder ein Health Technology Assessment (HTA) durchgeführt, um die Wirksamkeit und Sicherheit medizinischer Behandlungen zu bewerten.
Das hat die Australische Behörde nicht gemacht.
Der NHMRC hat keine klinischen Studien bewertet, sondern Reviews. In der EBM gilt ein „Review über Reviews“ als unsichere Quelle der Evidenz.
Das Präsidium der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Homöopathie (WissHom) erklärte, warum der Bericht zur Bewertung der Homöopathie ungeeignet ist:6,7
„Hierbei handelt es sich nicht um eine Metaanalyse, sondern nur um eine systematische Literaturrecherche, die nicht in einem peer-reviewed Journal publiziert worden ist. In unserem Bericht wurden nur Metaanalysen ausgewählt, da diese die höchste Evidenz haben. Da in dem australischen Report Homöopathiestudien mit weniger als 150 Teilnehmern ausgeschlossen wurden, wurde ein großer Teil der Daten zur Homöopathie gar nicht ausgewertet. Bis heute ist keine rationale Begründung bekannt, warum die Autoren den Cut-off bei 150 Teilnehmern gesetzt haben.“
Falsches Spiel mit dem Evidenzbegriff
Wissenschaftliche Studien müssen im Kontext des jeweiligen Fachgebietes und der vorhandenen wissenschaftlichen Literatur sowie nach anerkannten Regeln wissenschaftlichen Arbeitens beurteilt werden.
Der NHMRC hat alle 3 Punkte missachtet:8
- Der Bericht wurde ohne Experten für Homöopathie erstellt.
- Der Bericht steht im Widerspruch zur wissenschaftlichen Fachliteratur.
- Der Bericht enthält gravierende Mängel.
Gravierende Mängel
Mehrere Fachgesellschaften und Experten haben 14 schwerwiegende Mängel8 gefunden:9-14
- Es wurden von der internationalen Evidenz-Klassifizierung abweichende Evidenz-Kriterien verwendet: Das NHMRC bezeichnete mit „Level I“ ein Systematisches Review von Level II-Studien und sah darin die höchste Form der Evidenz. Diese Sicht widerspricht der EBM und Logik. Aus Level II-Studien kann keine Level I-Evidenz abgeleitet werden. Die Behörde hat ihre Studie auf diesen „Level I“ eingeschränkt.
- Die Studie ist keine Metaanalyse, sondern eine Übersichtsarbeit über Übersichtsarbeiten. Aufgrund methodischer Schwächen ist dieses Studienkonzept eine unsichere Quelle der Evidenz.
- Positive homöopathische Metaanalysen (Durchfall bei Kindern, allergische Rhinitis, Schwindel, Otitis media) wurden mit ungenügender Begründung ausgeschlossen.
- Aufgrund des Studienkonzeptes wurde keine einzige randomisierte Doppelblindstudie ausgewertet.
- Positive Beobachtungsstudien, Safety-Studien, Kosten-Nutzen-Studien, experimentelle Studien und Präventiv-Studien über die Wirksamkeit der Homöopathie bei Epidemien wurden nicht bewertet.
- Nur Studien und Reviews mit mehr als 150 Teilnehmern wurden berücksichtigt.
- Alle nicht-englischen Studien wurden ausgeschlossen.
- Die Datenbankrecherchen waren selektiv und für die Komplementärmedizin nicht ausreichend.
- Das individuelle Therapieprinzip der Homöopathie wurde nicht beachtet: Die Evidenz
der Homöopathie ist nicht von großen Studien abhängig. Es müssen alle Formen von Evidenz berücksichtigt werden. - Die Homöopathie wurde als komplettes Therapiesystem bewertet. Das widerspricht
der EBM und kann aufgrund der ausgeschlossenen Studien kein sinnvolles Ergebnis bringen. Die Bewertung der Wirksamkeit medizinischer Behandlungen muss systematisch nach Diagnosen erfolgen. - Die Ergebnisse wurden nicht wie in wissenschaftlichen Arbeiten üblich im Vergleich mit der vorhandenen Fachliteratur diskutiert.
- Die Studie ist bereits 2014 präsentiert worden und galt als umstritten. Die damalige sachliche Kritik der Fachgesellschaften wurde nicht berücksichtigt.
- Zwei Experten des NHMRC haben aufgrund der methodischen Schwächen und selektiven Datenauswahl die Ergebnisse der Studie angezweifelt, wurden aber nicht gehört.
- Bei der Studie waren keine homöopathischen Experten zugelassen.
Diese Kritik ist unten als PDF verfügbar.
FAZIT
Der NHMRC-Bericht ist aus Sicht der evidenzbasierten Medizin wertlos.
- Der Bericht wurde in keiner anerkannten medizinischen Fachzeitschrift veröffentlicht.
- Der NHMRC hat eigene Regeln definiert, die den anerkannten Kriterien der evidenzbasierten Medizin nicht entsprechen.
- Der Großteil der vorhandenen Homöopathie-Studien wurde nicht berücksichtigt.
- Die Ergebnisse des Australischen Berichtes sind eine schwerwiegende Fehlinterpretation der Evidenz der Homöopathie.
Die Schlussfolgerungen des NHMRC sind nicht evidenzbasiert:1
„Es gibt keine zuverlässigen Beweise aus der Forschung am Menschen, die für die
Wirksamkeit der Homöopathie sprechen. Es gibt keine guten Studien mit ausreichender Teilnehmeranzahl, die über Verbesserungen über Placebo hinaus oder eine Gleichwertigkeit der Homöopathie mit anderen Behandlungen berichten. Daher gibt es keine Gesundheits-störungen, bei denen die Homöopathie sicher wirksam wäre. Die Homöopathie soll deshalb bei chronischen, ernsten Erkrankungen und Krankheiten, die einen schweren Verlauf nehmen können, nicht verwendet werden. Wer sich für die Homöopathie entscheidet, setzt sich einem Gesundheitsrisiko aus, wenn anerkannte Behandlungsmethoden abgelehnt oder verzögert werden. Wer Homöopathie verwenden will, sollte sich zuerst von einem Arzt beraten lassen.“
Diese Behauptungen der Australischen Gesundheitsbehörde beruhen auf willkürlichen und selektiven Bewertungskriterien, die weltweit noch nie angewandt wurden sowie den international anerkannten Regeln der evidenzbasierten Medizin und Cochrane Collaboration widersprechen.
Petition
Der Vorstand der deutschen Hahnemann-Gesellschaft e.V. hat in einem Mailing am 23. August 2017 dazu aufgerufen, eine Petition im Internet zur Aufklärung der Vorgänge bei der Erstellung des NHMRC-Berichtes zu unterzeichnen.16
Die Petition fordert eine Untersuchung der Vorurteile gegen Komplementärmedizin und des NHMRC-Berichtes durch den Senat des Australischen Parlaments.
Literatur
- NHMRC 2015
- Homeopathy Research Institute 2017
- Just one drop 2017
- Homeopathy Research Institute 2017
- Dellmour 2017
- Wissenschaftliche Gesellschaft für Homöopathie 2016
- Deutscher Zentralverein homöopathischer Ärzte 2016
- Dellmour 2015
- Informationen zur Homöopathie 2014
- British Homeopathic Association 2017
- Australian Homoeopathic Association 2015
- Homeopathy Research Institute 2015
- Complementary Medicines Australia 2015
- Deutscher Zentralverein homöopathischer Ärzte 2017
- Roberts 2017
- Petition 2017
PDF mit Literaturangaben | |
PDF Australische Studie |
Startversion: 15.9.2017
Autor: Friedrich Dellmour